NRW in Europa
Was macht das
Land Nordrhein-Westfalen aus politikwissenschaftlicher Perspektive
eigentlich interessant genug, um dafür die Forschungs-Initiative
NRW in Europa, kurz FINE, ins Leben zu rufen? Europa ist in aller
Munde, vor allem in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Europa
bedeutet neue Märkte, aber auch mehr Konkurrenz, und insbesondere
für die Wissenschaft eine neue Perspektive. Die Landespolitik
schaut ebenfalls nach Europa.
Aber wo liegt bzw. was ist
Europa? Europa ist sicherlich mehr als nur die Grenzen, die es markieren.
Europa ist Mythos, Verbund von 27 Nationalstaaten und zunehmend
auch politischer Akteur. Die Europäische Union ist ein Mehrebenensystem,
so die Europaforschung, gekennzeichnet durch neue Formen des Regierens,
wie in so genannten Verhandlungssystemen, in denen Prozesse gesellschaftlicher
Selbstregulierung - über territoriale Grenzen hinweg - immer
mehr an Bedeutung gewinnen. Es formieren sich neue politische Räume
in Europa, und die Regionen spielen dabei eine wichtige Rolle, politisch
aufgewertet durch den Vertrag von Lissabon. Das Europa der Regionen
gewinnt politisch an Gewicht. Die Dynamik im europäischen Integrationsprozess
erschwert zum jetzigen Zeitpunkt jedoch eine Einschätzung über
deren zukünftige Rolle.
Die oft kolportierte Prognose, die Regionen profitierten fast automatisch
vom Europäisierungsprozess - zu Lasten der Nationalstaaten
- ist auch von Wunschdenken geprägt. Die Stärkung der
Regionen ist kein Selbstläufer. Kompetenzen und Profile müssen
erst erstritten werden.
Der Blick auf die
Regionen zeigt, dass die politischen, sozialen und ökonomischen
Bedingungen vor Ort auf regional höchst unterschiedliche
Entwicklungspfade schließen lassen, die Richtung und Verlauf der
europäischen Integration maßgeblich mitentscheiden werden.
"All politics is local" - das gilt auch für Europa. Ob die
Regionen mit Blick auf Europa zu den Gewinnern oder Verlierern
zählen, wird im Wesentlichen davon abhängen, inwieweit
regionale Entwicklungspotentiale im Sinne einer Neukonfigurierung
politischer Entscheidungsprozesse genutzt werden können. Auch
für NRW besteht Handlungsbedarf, um mit der Entwicklung Schritt zu
halten und sich neu zu positionieren.
Im Mittelpunkt von FINE steht
Nordrhein-Westfalen - von der Kommune bis Europa. Die Entscheidung
für NRW ist dabei in erster Linie forschungspolitischer Natur.
Interesse weckt das Land angesichts seiner ambivalenten Rolle zwischen
wirtschaftlichem Leistungsträger einerseits und strukturschwacher
Region andererseits. Wirtschaftlich gesehen ist NRW einer der Entwicklungsmotoren
Europas, nicht nur im Vergleich zu anderen Regionen, sondern auch
im Vergleich zu manchen Mitgliedsstaaten der EU.
Politik in Nordrhein-Westfalen bedeutet immer, die regionale,
bundesdeutsche, europäische und globale Dimension zu
berücksichtigen. Diese "Perspektivenpluralität" stellt hohe
Anforderungen an die Landespolitik, aber auch an alle anderen
regionalen Akteure, wie z.B. Unternehmen und Verbände,
Bezirksregierungen und Kommunen. Politik in Nordrhein-Westfalen ist ein
ständiges Ausbalancieren zwischen den Polen von Europäischer
Integrationsbestrebungen einerseits und dem Anspruch an regionale
Autonomie andererseits. In diesen Bahnen bewegt sich die Politik und
damit die zukünftige Entwicklung des Landes.
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